Archiv der Kategorie: Kritiken zum Werk

Basel bei Woodstock | NZZ vom 31.5.12

Friederike Kretzens Roman „Natascha, Véronique und Paul“

Der neue Roman Friederike Kretzens beginnt wie mit einem Dreisprung, nur ohne Anlauf. Fast schon etwas salopp eröffnet er das Feld, auf dem er spielen wird: „Da war eine Frau. Véronique. Die war ich.“ Die Einheit von Ich und Geschichte, die das Erzählen in der ersten Person suggeriert, wird gleich auseinanderdividiert. An allen Ecken und Enden lässt Friederike Kretzen die übereinander getragenen Röcke ihrer Protagonistin hervorschauen. Deckung, im doppelten Wortsinn, gibt es nicht. Schon der nächste Satz deutet an, weshalb: „Und da waren ein Sommer und eine Zeit, und die war ich auch, zusammen mit ein paar anderen, übrig geblieben nach den grossen Kriegen.“
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Nein, der Aufbruch darf noch nicht vorbei sein / WOZ

Ein Text wie ein traumartiges Gespinst. Friederike Kretzen erinnert sich in ihrem neusten Roman an die kreative Identitätssuche in den frühen achtziger Jahren. Den aufgeladenen Sommer 82 verwebt sie mit der Vergangenheit von 68 und der Gegenwart.

Im August 2009 hörte Friederike Kretzen am Radio „Gedenksendungen“ zum 40. Jahrestag des legendären Woodstock-Festivals. Darin wurde vom Grossereignis der Hippies erzählt, als wäre es der Schlusspunkt einer Bewegung gewesen, die sich damit endgültig erledigt hätte.

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Im Schlafsaal der Geschichte, Andrea Köhler, 24.4.07, NZZ

Was ist das? Ein surreales Kopfkissenbuch, ein spätmodernes Familienalbum, das Traumbild einer Epoche? So viel steht fest: Friederike Kretzens neues Buch erzählt keine Geschichte von A nach Z. „Weisses Album“ hat die Basler Autorin ihren siebten Roman genannt. Es ist ein Rätselbuch, das uns wie Hänsel und Gretel ins Hexenhaus der Geschichte lockt, in den langen Schlaf der Vernunft. In diesem Wald voller Finster- und Fährnisse sollen wir uns verirren. Ein Märchenbuch von der unpädagogischen Sorte. Hier werden Albträume dick gefüttert, hier liegen drei Töchter im hundertjährigen Schlaf. Friederike Kretzens „Album“ über die Nachkriegszeit und ihre deutschen Provinzen ist ein Roman über das allnächtliche Stillhalteabkommen mit der Zeit. Das liest man nicht in einem Zug. Aber in einem Sog, der uns tief in die Seiten zieht, hinab, hinein, unter die Oberfläche der Welt.
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Besprechung Weisses Album: Freitag 12 / 23.3.07 / Werner Jung

Zunächst und zumeist: ein schwieriger Text, den Friederike Kretzen da vorgelegt hat, sperrig und irritierend, ja verwirrend. Und daher anstrengend. Kein Pageturner, nichts, um darin ab- und wegzutauchen. Sondern ein Erzähltext, wenn man so will: ein Roman, der höchste Aufmerksamkeit und Konzentration verlangt, aber auch dann noch ob seiner kaskadischen Bilderfluten den Leser arg strapaziert. Doch dann steigen aus dem Wörtermeer Szenen und Bilder von geradezu betörender Sinnlichkeit und schmerzhafter Schönheit auf. Besprechung Weisses Album: Freitag 12 / 23.3.07 / Werner Jung weiterlesen

Einführung von Samuel Moser zur Lesung aus „Weisses Album“

Literaturhaus Basel, 13. März 2007

Ich möchte hier nicht etwas sagen zur Jugend Friederike Kretzens und zu den 60er/70er Jahren. Auch nicht zu Leverkusen, Bayer-Leverkusen. Darüber redet das Buch. Wie übrigens andere Bücher von Friederike Kretzen auch schon. Weder Eltern, noch Grosseltern, noch Geschwister, noch Tanten, Onkel, Cousinen, weder Orte und Zeiten noch Handlungen sind neu. Und auch viele Motive nicht. Was aber dann? Das Buch, seine Sprache. Einführung von Samuel Moser zur Lesung aus „Weisses Album“ weiterlesen

Im grossen Schlafsaal der Geschichte: Buchkritik von Christine Richard, BAZ

5.3.07: Die Basler Autorin Friederike Kretzen und ihr wahnwitziges „Weisses Album“

Wer den Orientierungsverlust schätzt, um eine neue Richtung einschlagen zu können, ist hier genau richtig. Friederike Kretzens „Weisses Album“ ist ein Hit für Abenteurer-Naturen unter den Lesern.

Die Sonne scheint. Die Welt scheint schön. Die Autorin strahlt. Ihr neuer Roman indes ist der helle Wahn. Ein Zombie-Thriller der seltsamen Art – geistvoll, voller Geister. Drei junge Frauen sprechen. Sprechen im Wechsel von ihrem Leben. Von der Mutter, hundert Jahre tot. Von Bäumen und Bauernhöfen, verschlungen von den Chemie-Werken, bis auch die Industrie-Landschaft verödete. Sie reden und reden. Vom Nachbarskind – ein Gerippe im Bettchen. Die verflossenen Freunde – Trotzkisten, Maoisten. Reisen nach Griechenland, Marokko, Paris, Indien – Totentänze. Die Roxy-Bar nebenan, Zirkustiere, zwei Weltkriege, ein paar Märchen, die Studentenrevolte, die Bombe im Auto, keine Lust zur Aktion, das Theater im Kopf. Spielen, schlafen, spielen, alpträumen, schlafen. So zwitschern sie dahin, Elschen, Gitti und Hannah. Wie Vögelchen, die in verfallenen Theatern nisten. Oder in offenen Grabkammern flattern. Oder vom Rauch in den Lüften getrieben werden. Geisterhaft. Im grossen Schlafsaal der Geschichte: Buchkritik von Christine Richard, BAZ weiterlesen