Vom Poetischen als einem Einsammelverhältnis

LI Biel FS 19 / Seminar auf Wunsch von ein paar Artisten, die zusammen mit mir im letzten Semester an der Ratlosigkeit gearbeitet haben.

Im nächsten Herbstsemester plane ich ein Seminar zu David Foster Wallace Roman „Unendlicher Spass“. Als Vorbereitung darauf würde ich gerne ein paar Umwege zu diesem Spass und seiner Unendlichkeit versuchen. Dabei stelle ich mir vor, einige Abstecher nach Amerika und zu Walser zu machen. Denn vor allem möchte ich mit Ihnen zusammen überlegen, ob Literatur nicht ein Heim für all das Obdachlose, Übriggebliebene, all das, was nicht aufgeht in den uns angetragenen Formen glücklichen, intensiven Lebens, sein könnte. 

Wallace entwirft in seinem Roman ein ästhetisches Gegenmodell zu unserer süchtig machenden, gnadenlos selektionierenden Gesellschaft. Ein Gegenmodell, das er aus den Grundsätzen der Anonymen Alkoholiker ableitet, einer Gemeinschaft, die sich gegenseitig darauf verpflichtet, nicht über andere zu urteilen, nicht über das, was sie erzählen, sondern ihnen zuzuhören und sie nicht vor die Türe zu setzen. Wodurch ein anderes Zuhören, eine Öffnung auf all das, was auch noch da ist, möglich wird.

In gewisser Weise könnte man sagen, Wallace erschreibt genau diese Form einer Gemeinschaft der Süchtigen und Obdachlosen, die in seinem Buch eine Geschichte haben, die sie erzählen, und so eine Art Heim und Wirklichkeit finden. Dieses „Heim“ ist die Möglichkeit der Kunst, die Möglichkeit der Sprache und der Literatur. Es lässt uns erfahren, dass es im Schreiben eben genau darum geht, auf Geschichten, die sich unablässig erzählen, zu hören, sie eben nicht abzutun, sondern sie reinzulassen.

Emily Dickinson sagt, dass Kunst ein Haus sei, in dem es spukt. Ich würde dem gerne hinzufügen: Na hoffentlich spukt es in diesem Haus. Denn wo sonst, als in der Literatur, sollten wir mit den alten Gespenstern, mit all dem, was uns ängstigt und heimsucht, das Gespräch suchen. 

Jede Vorbereitung ist ein Aufschub, und in unserem Fall eine schöne Form des Sammelns von Spass, vielleicht auch von Romanen. Bevor sie endgültig werden und unendlich.