Shakespeares Schwester und wir

Virginia Woolfs Essay ‘A Room of One’s Own’ endet mit ihrer eindringlichen Bitte an zukünftige Generationen schreibender Frauen, der toten Dichterin, die Shakespeares Schwester war, die Gelegenheit zu geben, dass sie sich endlich den Leib anlegen kann, den sie so oft gezwungen war, abzuwerfen.
Was für ein Bild ist das? Was für ein Leib?
Abgeworfen und doch vorhanden, anlegbar und zu neuem Leben fähig. Ein Leib, der mit der Arbeit des Schreibens zu tun hat, das aus den traditionell zugestandenen Formen und Bezüglichkeiten von Frauen ausbricht; das sich auf eine Welt der Wirklichkeit bezieht, nicht nur die der Männer und Frauen, wie Woolf schreibt.
Der Bezug zur Welt der Wirklichkeit verläuft quer zu binären Ordnungen, zu klaren Einteilungen und Urteilen. Erst in dieser Querung, in den Bezügen zu den Dingen an sich, dem Himmel und den Bäumen, lässt sich der abgelegte Leib von Shakespeares Schwester auffinden, dort überlebt er, mag er auch noch so vergessen sein. Denn er ist der Leib des Vergessens. Und das Vergessen, so formuliert es Marguerite Duras, ist das noch nicht Geschriebene: Das Schreiben selbst.

Ich frage mich, ob sich für Shakespeares Schwester so viel verändert hat. Freie Menschen und Frauen werden wie Verrückte behandelt, sagt Duras. Wie Woolf eine, die genau weiss, wie viel zu schnell wieder vergessen wird, was von all dem zu schreiben versucht, das den Leib von Shakespears Schwester ausmacht.

Zusammen mit Ihnen möchte ich mich mit dem Werk von Duras auseinandersetzen. Nachschauen, was wir von ihren Texten und Filmen gebrauchen können. Um die Arbeit am Leib von Shakespeares Schwester nicht zum Stillstand kommen zu lassen. Es ist an uns darauf zu achten, dass sie nicht wieder da, wo die Omnibusse an der Station Elephant and Castle abfahren, wie Woolf vermutet, begraben bleibt.