Literaturinstitut Biel / Ausschreibung HS19 / Für wen wir schreiben, zehnte Runde.
David Foster Wallace UNENDLICHER SPASS ist ein beunruhigendes, unheimliches Stück Literatur. Ein Gegenwartsroman, der uns das Fürchten lehren kann. Geschrieben von einem, der die Angst kennt. Denn Wallace ist bei den Gescheiterten in die Lehre gegangen und er lehrt uns, dass wir von ihnen lernen können – vielleicht nur von ihnen. Von ihnen und dann wieder von uns, die wir mit ihren Lehren auch nur scheitern können.
Wallace Buch ist ein ganz und gar radikales Buch. Wer es liest, wird wie das Buch und seine Figuren auseinandergenommen und findet, wenn er Glück hat, eine andere, eine neue Fügung seiner selbst.
Radikalität, sagt Alexander Kluge, ist keine Frage des Willens, sondern der Erfahrung. Wallace Radikalität liegt in der bedingungslosen Zuwendung zu seinen Figuren, die er nicht schont, sondern genau und unerbittlich befragt. Darin allerdings liegt eine Zartheit, ein Zuhören, Ernstnehmen, das anders ist, das Erkennen ermöglicht. Erkennen, insofern es das Ende der Leugnungen bedeutet.
Das Buch ist ein Buch der Sucht und der Süchtigen. Es geht der elementaren, aberwitzig scheinenden Frage nach: Wie kommt es, dass es viel schöner zu sein scheint, von etwas gelebt zu werden (der Sucht) als selbst zu leben?
Besonders scheint mir bei Wallace, wie er in der Literatur ein Gegenmodell zu unserer süchtigen Gesellschaft entwirft. Ein Gegenmodell, das er aus den Grundsätzen der Anonymen Alkoholikern ableitet. Einer Gemeinschaft, die nicht urteilt, die nicht kommentiert, einer Gemeinschaft, aus der keiner ausgewiesen werden kann, die nicht selektioniert.
In gewisser Weise könnte man sagen, Wallace erschreibt genau diese Form von Gemeinschaft: eine Gesellschaft der Süchtigen und Obdachlosen, die in seinem Buch eine Geschichte haben, sie erzählen, und so in diesem Buch eine Art Heim und Wirklichkeit finden. Und zwar durch ein anderes Zuhören, ein Öffnen auf das, was auch noch da ist. Ich denke, dass dieses „Heim“ die Möglichkeit der Literatur ist, und dass es im Schreiben eben genau darum geht, auf Geschichten, die sich unablässig erzählen, zu hören, sie eben nicht abzutun, sondern sie aufzunehmen.
Mit Ihnen zusammen möchte ich in diesem Seminar „Unendlicher Spass“ von David Foster Wallace lesen. Ich stelle mir vor, dass wir ihn in Abschnitten von etwa 300 Seiten lesen, besprechen und notieren, was uns wichtig ist. Am Ende des Seminars hätte ich gerne, dass wir eine öffentliche Lesung aus Wallace organisieren, die sich über zwei lange Abende von etwa fünf Stunden erstreckt, an denen wir uns die uns wichtigen Passagen des Buchs vorlesen.