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Virginia Woolfs Essay ‘A Room of One’s Own’ endet mit ihrer eindringlichen Bitte an zukünftige Generationen schreibender Frauen, der toten Dichterin, die Shakespeares Schwester war, die Gelegenheit zu geben, dass sie sich endlich den Leib anlegen kann, den sie so oft gezwungen war, abzuwerfen.
Was für ein Bild ist das? Was für ein Leib?
Abgeworfen und doch vorhanden, anlegbar und zu neuem Leben fähig. Ein Leib, der mit der Arbeit des Schreibens zu tun hat, das aus den traditionell zugestandenen Formen und Bezüglichkeiten von Frauen ausbricht; das sich auf eine Welt der Wirklichkeit bezieht, nicht nur die der Männer und Frauen, wie Woolf schreibt.
Der Bezug zur Welt der Wirklichkeit verläuft quer zu binären Ordnungen, zu klaren Einteilungen und Urteilen. Erst in dieser Querung, in den Bezügen zu den Dingen an sich, dem Himmel und den Bäumen, lässt sich der abgelegte Leib von Shakespeares Schwester auffinden, dort überlebt er, mag er auch noch so vergessen sein. Denn er ist der Leib des Vergessens. Und das Vergessen, so formuliert es Marguerite Duras, ist das noch nicht Geschriebene: Das Schreiben selbst.

Ich frage mich, ob sich für Shakespeares Schwester so viel verändert hat. Freie Menschen und Frauen werden wie Verrückte behandelt, sagt Duras. Wie Woolf eine, die genau weiss, wie viel zu schnell wieder vergessen wird, was von all dem zu schreiben versucht, das den Leib von Shakespears Schwester ausmacht.

Zusammen mit Ihnen möchte ich mich mit dem Werk von Duras auseinandersetzen. Nachschauen, was wir von ihren Texten und Filmen gebrauchen können. Um die Arbeit am Leib von Shakespeares Schwester nicht zum Stillstand kommen zu lassen. Es ist an uns darauf zu achten, dass sie nicht wieder da, wo die Omnibusse an der Station Elephant and Castle abfahren, wie Woolf vermutet, begraben bleibt.

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Lange Nacht Duvanel https://kretzen.info/lange-nacht-duvanel/ Mon, 05 Dec 2022 12:36:15 +0000 https://kretzen.info/?p=830 Lange Nacht Duvanel weiterlesen ]]>
Non-Stop Lesung | Schweizerisches Literaturinstitut HKB Bern

Samstag 3.12.22 zur Einführung

EIN ABEND DER GASTREUNDSCHAFT UND EINE NACHT IM ZIRKUS

Denn: „WIR ARTISTEN AN DER WERKBANK, IN DER WISSENSCHAFT, IN LIEBESDINGEN, IN DEN LEBENSLÄUFEN UND IM ZIRKUS, GEBEN UNSER LEBEN FÜR ETWAS, DAS SEINE TOTEN WERT IST…“ Sagt Kluge.
Und, das sagt er zu Benjamin, was ich gerne auch zu Duvanel sagen möchte: Tatsächlich schrieb sie für die Ewigkeit. Das ist der Beruf der kritischen Autorin.

Beunruhigende, unheimliche Stücke Literatur. Ein aus vielen Teilen sich zusammensetzender Gross-Roman, der uns das Fürchten lehren kann. Geschrieben von einer, die die Angst kennt. Denn sie ist bei den Gescheiterten in die Lehre gegangen und sie lehrt uns, dass wir von ihnen lernen können – vielleicht nur von ihnen.
Duvanels Literatur ist eine ganz und gar radikale. Wer sie liest, fliegt auseinander und findet, wenn er Glück hat, eine andere, eine wiederständigere Fassung seiner selbst. Vielleicht so gar eine, die keine Angst mehr haben muss.

Radikalität, so Kluge, ist keine Frage des Willens, sondern der Erfahrung. Duvanels Radikalität liegt in der bedingungslosen Zuwendung zu ihren Figuren, die sie nicht schont, sondern genau und unerbittlich befragt. Darin allerdings liegt eine Zartheit, ein Zuhören, Ernstnehmen, das anders ist und Erkennen ermöglicht. Erkennen, insofern es das Ende der Leugnungen bedeutet.

Was Duvanel schreibt, ist ein Gegenmodell zu unserer nur scheinbar gutmütigen, toleranten, gerechten Gesellschaft. In ihren Texten gibt es eine Gemeinschaft der Figuren, Räume und Dinge, in der nicht geurteilt, nicht kommentiert, und vor allem nicht selektioniert und ausgeschlossen wird.
In gewisser Weise liesse sich sagen, Duvanel erschreibt eine Gemeinschaft der Einsamen, Verwaisten, der Verqueren und auf dieser Welt Obdachlosen, die in ihren kleinen, kurzen Erzählungen eine Geschichte haben, sie erzählen, und so in diesem Buch eine Art Heim und Wirklichkeit finden. Und zwar durch ein anderes Zuhören, ein Öffnen auf das, was auch noch da ist. Ich denke, dass dieses „Heim“ die Möglichkeit der Literatur ist, und dass es im Schreiben eben genau darum geht, auf Geschichten, die sich unablässig erzählen, zu hören, sie eben nicht abzutun, sondern sie aufzunehmen.

Walser ist ja auch ein Obdachloser, und Biel ist durch ihn, durch seine Geschichten und Texte immer auch eine Stadt der Obdachlosigkeit. So, wie Basel durch Duvanels Erzählungen auch eine Stadt der Obdachlosen, der Verwaisten und der tapferen Kinder von Strafgerichtspräsidenten geworden ist.

Literatur ist ein Heim für all das Obdachlose, Übriggebliebene, all das, was nicht aufgeht in den uns angetragenen Formen glücklichen, sich selbst geniessenden Lebens.

Emily Dickinson sagt, dass Kunst ein Haus sei, in dem es spukt. Ich würde dem gerne hinzufügen: Na hoffentlich spukt es in diesem Haus. Denn wo sonst, als in der Literatur, sollten wir mit den alten Gespenstern, mit all dem, was uns ängstigt und heimsucht, das Gespräch suchen.

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10 Stunden Unendlicher Spass https://kretzen.info/10-stunden-unendlicher-spass/ Sat, 02 Nov 2019 19:04:23 +0000 https://kretzen.info/?p=640 ]]> UNENDLICHER SPASS https://kretzen.info/unendlicher-spass/ Thu, 18 Jul 2019 19:02:29 +0000 https://kretzen.info/?p=597 UNENDLICHER SPASS weiterlesen ]]> Literaturinstitut Biel / Ausschreibung HS19 / Für wen wir schreiben, zehnte Runde. 

David Foster Wallace UNENDLICHER SPASS ist ein beunruhigendes, unheimliches Stück Literatur. Ein Gegenwartsroman, der uns das Fürchten lehren kann. Geschrieben von einem, der die Angst kennt. Denn Wallace ist bei den Gescheiterten in die Lehre gegangen und er lehrt uns, dass wir von ihnen lernen können – vielleicht nur von ihnen. Von ihnen und dann wieder von uns, die wir mit ihren Lehren auch nur scheitern können. 

Wallace Buch ist ein ganz und gar radikales Buch. Wer es liest, wird wie das Buch und seine Figuren auseinandergenommen und findet, wenn er Glück hat, eine andere, eine neue Fügung seiner selbst. 

Radikalität, sagt Alexander Kluge, ist keine Frage des Willens, sondern der Erfahrung. Wallace Radikalität liegt in der bedingungslosen Zuwendung zu seinen Figuren, die er nicht schont, sondern genau und unerbittlich befragt. Darin allerdings liegt eine Zartheit, ein Zuhören, Ernstnehmen, das anders ist, das Erkennen ermöglicht. Erkennen, insofern es das Ende der Leugnungen bedeutet. 

Das Buch ist ein Buch der Sucht und der Süchtigen. Es geht der elementaren, aberwitzig scheinenden Frage nach: Wie kommt es, dass es viel schöner zu sein scheint, von etwas gelebt zu werden (der Sucht) als selbst zu leben?

Besonders scheint mir bei Wallace, wie er in der Literatur ein Gegenmodell zu unserer süchtigen Gesellschaft entwirft. Ein Gegenmodell, das er aus den Grundsätzen der Anonymen Alkoholikern ableitet. Einer Gemeinschaft, die nicht urteilt, die nicht kommentiert, einer Gemeinschaft, aus der keiner ausgewiesen werden kann, die nicht selektioniert. 

In gewisser Weise könnte man sagen, Wallace erschreibt genau diese Form von Gemeinschaft: eine Gesellschaft der Süchtigen und Obdachlosen, die in seinem Buch eine Geschichte haben, sie erzählen, und so in diesem Buch eine Art Heim und Wirklichkeit finden. Und zwar durch ein anderes Zuhören, ein Öffnen auf das, was auch noch da ist. Ich denke, dass dieses „Heim“ die Möglichkeit der Literatur ist, und dass es im Schreiben eben genau darum geht, auf Geschichten, die sich unablässig erzählen, zu hören, sie eben nicht abzutun, sondern sie aufzunehmen.

Mit Ihnen zusammen möchte ich in diesem Seminar „Unendlicher Spass“ von David Foster Wallace lesen. Ich stelle mir vor, dass wir ihn in Abschnitten von etwa 300 Seiten lesen, besprechen und notieren, was uns wichtig ist. Am Ende des Seminars hätte ich gerne, dass wir eine öffentliche Lesung aus Wallace organisieren, die sich über zwei lange Abende von etwa fünf Stunden erstreckt, an denen wir uns die uns wichtigen Passagen des Buchs vorlesen. 

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Warum das Glück der Artisten ein ratloses ist und wie wir es lernen können https://kretzen.info/warum-das-glueck-der-artisten-eine-ratloses-ist-und-wie-wir-es-lernen-koennen/ Thu, 18 Jul 2019 18:59:13 +0000 https://kretzen.info/?p=594 Warum das Glück der Artisten ein ratloses ist und wie wir es lernen können weiterlesen ]]> Für wen wir schreiben. Achte Runde / Literaturinstitut Biel Ausschreibung HS 18

Seit Alexander Kluges Film „Die Artisten in der Zirkuskuppel; ratlos“ sind Artisten ratlos und zwar, weil sie Artisten sind. Es heisst im Film, dass sie als Artisten nur so tun, als könnten sie fliegen. Während sie im wirklichen Leben natürlich fliegen können.

In diesem Widerspruch zweier Vermögen hält sich die ganze schöne widersprüchliche Spannung von Leben und Kunst auf, die wir nicht reduzieren können, nur immer wieder durchqueren und vermehren.

So können wir im wirklichen Leben zwar schreiben, aber als Schriftsteller und Schriftstellerinnen ist es ja oft genug so, dass wir, was wir an Schreibfähigkeiten haben, vergessen müssen, um an die uns eigene Sprache, ihre Dringlichkeit und Genauigkeit heranzukommen. 

Schreiben also können wir, aber können wir auch so tun, als schrieben wir? Was brauchen wir dafür, was sorgt für den guten Wind unter unseren Schreibschwingen?

Ratlosigkeit ist eine geeignete Form des Innehaltens und Zögerns, um der ganzen grossen Beweislosigkeit von Literatur zu begegnen, ungewiss, wofür sie gut sein soll. Kein Text kann beweisen, was er sagt, noch, dass es sich lohnt, es zu sagen. 

Wem das klar sein kann, dem hilft der Himmel. Denn Literatur führt uns auf das gefährliche Terrain dessen, was nicht ratlos, sondern womöglich schön ist. So dass wir, wenn wir glauben, nicht weiter zu kommen, froh sein sollten, immerhin schon ratlos zu sein.

Ich möchte in diesem Seminar mit Ihnen zusammen auf die Suche nach dem Ungesicherten der Wörter gehen und ein paar Übungen zur Ratlosigkeit versuchen. Dabei sollen Texte von Virginia Woolf, David Foster Wallace, Alexander Kluge und Gilles Deleuze gelesen und weitergeführt werden. Vielleicht schaffen wir es ja, uns durch die Manege bis ins Freie auf das Zirkusdach hochzuarbeiten.

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Vom Poetischen als einem Einsammelverhältnis https://kretzen.info/vom-poetischen-als-einem-einsammelverhaeltnis-li-biel-fs-19/ Thu, 18 Jul 2019 18:53:55 +0000 https://kretzen.info/?p=591 Vom Poetischen als einem Einsammelverhältnis weiterlesen ]]> LI Biel FS 19 / Seminar auf Wunsch von ein paar Artisten, die zusammen mit mir im letzten Semester an der Ratlosigkeit gearbeitet haben.

Im nächsten Herbstsemester plane ich ein Seminar zu David Foster Wallace Roman „Unendlicher Spass“. Als Vorbereitung darauf würde ich gerne ein paar Umwege zu diesem Spass und seiner Unendlichkeit versuchen. Dabei stelle ich mir vor, einige Abstecher nach Amerika und zu Walser zu machen. Denn vor allem möchte ich mit Ihnen zusammen überlegen, ob Literatur nicht ein Heim für all das Obdachlose, Übriggebliebene, all das, was nicht aufgeht in den uns angetragenen Formen glücklichen, intensiven Lebens, sein könnte. 

Wallace entwirft in seinem Roman ein ästhetisches Gegenmodell zu unserer süchtig machenden, gnadenlos selektionierenden Gesellschaft. Ein Gegenmodell, das er aus den Grundsätzen der Anonymen Alkoholiker ableitet, einer Gemeinschaft, die sich gegenseitig darauf verpflichtet, nicht über andere zu urteilen, nicht über das, was sie erzählen, sondern ihnen zuzuhören und sie nicht vor die Türe zu setzen. Wodurch ein anderes Zuhören, eine Öffnung auf all das, was auch noch da ist, möglich wird.

In gewisser Weise könnte man sagen, Wallace erschreibt genau diese Form einer Gemeinschaft der Süchtigen und Obdachlosen, die in seinem Buch eine Geschichte haben, die sie erzählen, und so eine Art Heim und Wirklichkeit finden. Dieses „Heim“ ist die Möglichkeit der Kunst, die Möglichkeit der Sprache und der Literatur. Es lässt uns erfahren, dass es im Schreiben eben genau darum geht, auf Geschichten, die sich unablässig erzählen, zu hören, sie eben nicht abzutun, sondern sie reinzulassen.

Emily Dickinson sagt, dass Kunst ein Haus sei, in dem es spukt. Ich würde dem gerne hinzufügen: Na hoffentlich spukt es in diesem Haus. Denn wo sonst, als in der Literatur, sollten wir mit den alten Gespenstern, mit all dem, was uns ängstigt und heimsucht, das Gespräch suchen. 

Jede Vorbereitung ist ein Aufschub, und in unserem Fall eine schöne Form des Sammelns von Spass, vielleicht auch von Romanen. Bevor sie endgültig werden und unendlich.

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Biel Ausschreibung HS 18: Für wen wir schreiben. Achte Runde. https://kretzen.info/biel-ausschreibung-hs-18-fuer-wen-wir-schreiben-achte-runde/ Mon, 12 Mar 2018 18:06:59 +0000 https://kretzen.info/?p=524 Biel Ausschreibung HS 18: Für wen wir schreiben. Achte Runde. weiterlesen ]]> Warum das Glück der Artisten ein ratloses ist und wie wir es lernen können.

Seit Alexander Kluges Film „Die Artisten in der Zirkuskuppel; ratlos“ sind Artisten ratlos und zwar, weil sie Artisten sind. Es heisst im Film, dass sie als Artisten nur so tun, als könnten sie fliegen. Während sie im wirklichen Leben natürlich fliegen können.
In diesem Widerspruch zweier Vermögen hält sich die ganze schöne widersprüchliche Spannung von Leben und Kunst auf, die wir nicht reduzieren können, nur immer wieder durchqueren und vermehren.

So können wir im wirklichen Leben zwar schreiben, aber als Schriftsteller und Schriftstellerinnen ist es ja oft genug so, dass wir, was wir an Schreibfähigkeiten haben, vergessen müssen, um an die uns eigene Sprache, ihre Dringlichkeit und Genauigkeit heranzukommen.

Schreiben also können wir, aber können wir auch so tun, als schrieben wir? Was brauchen wir dafür, was sorgt für den guten Wind unter unseren Schreibschwingen?

Ratlosigkeit ist eine geeignete Form des Innehaltens und Zögerns, um der ganzen grossen Beweislosigkeit von Literatur zu begegnen, ungewiss, wofür sie gut sein soll. Kein Text kann beweisen, was er sagt, noch, dass es sich lohnt, es zu sagen.
Wem das klar sein kann, dem hilft der Himmel. Denn Literatur führt uns auf das gefährliche Terrain dessen, was nicht ratlos, sondern womöglich schön ist. So dass wir, wenn wir glauben, nicht weiter zu kommen, froh sein sollten, immerhin schon ratlos zu sein.

Ich möchte in diesem Seminar mit Ihnen zusammen auf die Suche nach dem Ungesicherten der Wörter gehen und ein paar Übungen zur Ratlosigkeit versuchen. Dabei sollen Texte von Virginia Woolf, David Foster Wallace, Alexander Kluge und Gilles Deleuze gelesen und weitergeführt werden. Vielleicht schaffen wir es ja, uns durch die Manege bis ins Freie auf das Zirkusdach hochzuarbeiten.

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Für wen wir schreiben https://kretzen.info/fuer-wen-wir-schreiben/ Fri, 29 Apr 2016 08:24:50 +0000 https://kretzen.info/?p=372 Für wen wir schreiben weiterlesen ]]> Die Vorbereitung des Romans und der rasende Wille nach einem vollständigen, absoluten Ausdruck unserer selbst. Für wen wir schreiben. Sechste Runde.

Sind Sie erfahren? Alte Jimmy Hendrix Frage. Sind Sie bereit, in den Abgrund zu springen? Sich dem rasenden Willen nach der Suche des vollständigen, unbedingten Ausdrucks unserer selbst auszusetzen? Sich auf die Suche nach den unbekannten Gegenden unseres Herzens zu machen, in die erst der Schmerz eintreten muss, damit es sie gibt, wie Virginia Woolf schreibt? Roland Barthes nennt den Roman die Praxis des Kampfes gegen die Trockenheit des Herzens. Auf diese Praxis möchte ich mich zusammen mit Ihnen vorbereiten. So praktisch wie möglich. Was ist das für eine Erfahrung, vorbereitet zu sein? Vor allem, wenn es um Abenteuer des Geistes und des Schreibens geht? Abenteuer, aventure, das Wort kommt von ad-venire, und das ist das, was einem zustösst. Können wir vorbereitet sein auf das, was uns zustösst? Wo doch das, was uns zustösst, das ist, was wir vorher nicht wissen können, was uns eben wie ein Abenteuer geschieht, sonst wäre es keins? Roland Barthes Vorlesungen „Die Vorbereitung des Romans“ sind selber ein Roman, und vielleicht ist das die schönste Art, sich vorzubereiten. Sie handeln von den Abenteuern der Vorbereitung, indem sie die Ankunft, also das Schreiben des Romans, aufschieben. So öffnet sich im vielfachen Befragen und Ergründen von all dem, was Schreiben ist, was es braucht, in was es zerlegbar ist, wie es geschieht, mit welcher Frage, welchem Willen und Wuchern ein ungeheurer Raum der Möglichkeiten, wie und was alles schreibbar wäre, wie ein Roman werden könnte, wovon er handeln könnte, und darin nehmen all die Autoren Platz, die Barthes Reise begleiten. Kafka, Flaubert, Proust vor allem, und sie schreiben mit an dem Roland Barthschen Roman, der den Titel trägt: Die Vorbereitung des Romans. So gewinnt er Land zwischen Lossegeln und nicht Ankommen, unsicher, zugleich ganz und gar sicher, – denn täuschen wir uns nicht, die Ungewissheit ist eine Gewissheit. Wir befinden uns hier im Gebiet des Romantischen, in dem die Annahme, dass das Unfertige, Unvollendete, Improvisierte dem Zauber der Schönheit näher käme als das Fertige, Routinierte, Eingespielte. Machen wir uns also auf den Weg, nehmen wir uns etwas vor und probieren wir, ob es uns erfahrener macht im Umgang mit dem Schreiben. Das nichts ist, wenn es kein Abenteuer bedeutet. Ich möchte mit Ihnen die Vorlesungen von Barthes studieren und an der Vorbereitung von Romanen arbeiten.

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Lernen, was nicht zu lernen ist: das Handwerk des Schreibens. https://kretzen.info/lernen-was-nicht-zu-lernen-ist-das-handwerk-des-schreibens/ Wed, 20 May 2015 17:47:42 +0000 https://kretzen.info/?p=352 Lernen, was nicht zu lernen ist: das Handwerk des Schreibens. weiterlesen ]]>  

Godard hat der Jury US-amerikanischer Filmkritiker, die seinen letzten Film „Adieu au Language“ zum besten Spielfilm des Jahres 2014 gewählt hat, eine Postkarte geschickt. Auf der stand: Ich lerne noch immer. Der Mann ist 84 und wenn einer in diesem Alter für sich noch beansprucht zu lernen, so ist das mehr als subversiv. Heisst es doch, dass die Arbeit weiter geht, dass es kein Ankommen und dann weiss ich, wie es geht, gibt. Darum aber genau geht es, dafür hat Godard immer gestanden. In seinen Filmanalysen hat er nach fehlenden Szenen gefragt. Er kritisiert, dass sie nur selten zum Gegenstand des Sehens, der Filmerzählung geworden sind, sondern meistens einfach nur fehlen. Seine Filme dagegen bewegen sich zwischen fehlenden Szenen und bringen sie zu einem Fehlen, das erscheinen kann, das anwesend ist, den Film durchdringt. Leben tun wir aus Mangel an Leben. Kunst entsteht aus diesem Mangel und sucht ihn. Sie will ihn nicht aufheben, sondern übersetzen. Will Sagen, Zeigen, Darstellen, dass Mangel ist und uns bestimmt. Unablässig.

Was für ein Lernen ist das, das Godard auch weiterhin für sich beansprucht? Wie können wir es für das Schreiben ansehen und hat dieses Lernen mit etwas zu tun, das fehlt, dessen wir ermangeln? Das uns unsicher macht, wenn wir schreiben? Sprache ist grundlegend ungewiss. Sie gibt uns keine Beweise ihrer Gültigkeit ausser sich. Und hüten wir uns vor anderen Gewissheiten, sie fallen uns gerne von hinten an. Als böse Überraschung, falsche Freunde, Täuschungen. Nicht umsonst handeln so viele Geschichten davon, dass ein Mensch, im Bemühen, der Gefahr zu entgehen, sich ihr entgegen bewegt. Geschichten, die sehr genau davon erzählen, dass wir nicht wissen können, was geschieht. Das allerdings gilt es zu wissen.

Wörter, wie sollten wir ihrer auch sicher sein können? Dessen, was sie sagen und was sie nicht sagen? Ständig verbinden sie sich mit anderen Wörtern, tragen Bedeutungen in sich, die erst in bestimmten Zusammenhängen lesbar werden. Sie bilden

Rhythmen und Folgen, plötzlich spricht sich etwas in ihnen aus, das wir so lange nicht wahrnehmen konnten.

Schreiben ist das Geschehen eines Werdens, stets unfertig. Das ist seine Offenheit. Eine Offenheit, die mühelos all unsere Vorsätze, Pläne, Plots, Konzepte hinter sich lässt. Auch wenn wir die brauchen, allerdings eher, um sie aufzugeben, wie eine Taschenlampe auf dem dunklen Weg des Vermissens und Findens. Nicht von etwas anderem, sondern von uns als etwas anderem.

In diesem Seminar soll es um Fragen des Lernens und Schreibens gehen. Vorallem um die, die wir schnell vergessen, auf die wir nicht kommen, von denen wir absehen. Ich möchte gerne ausgehend von Ihren aktuellen Arbeiten eine kleine Praxis des Fragens und Fehlens versuchen. Wichtig bei all dem ist, alles, was uns dabei geschieht, wichtig zu nehmen als Teil einer Arbeit, die sich dessen, was sie zu erkennen sucht, nur aussetzen kann.

 

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Die schöne Gefahr. https://kretzen.info/die-schone-gefahr/ Fri, 04 Apr 2014 17:44:10 +0000 https://kretzen.info/?p=299 Die schöne Gefahr. weiterlesen ]]> Für wen wir schreiben. Dritte Runde

‚Le beau danger’ ist der Titel eines kleinen Buchs, in dem Michel Foucault mit Claude Bonnefoy über die schöne Gefahr seines Schreibens und Denkens spricht. Auf Deutsch trägt das Buch den Titel ‚Das giftige Herz der Dinge.’ Dieser Wechsel von der schönen Gefahr zum giftigen Herz der Dinge gibt vielleicht schon eine Antwort auf die Frage, warum es uns nicht leicht fällt, Gefahr und Arbeit an der Schönheit zusammen zu denken. Doch was ist Gefahr, was Schönheit, wenn es ums Schreiben und Denken geht? Kann Schreiben gefährlich sein? Und Denken? Für wen? Sich in Gefahr begeben, ist das eine Möglichkeit, etwas zu erschaffen, das mit Schönheit zu tun hat?  Was an der Gefahr soll schön sein oder schön werden können?

‚Montage mon beau Souci’ schreibt Godard in seiner L’Histoire du Cinema. Kann eine Sorge schön sein? Kann eine schöne Sorge Montage sein? Oder bereitet meine Sorge eine schöne Montage? Was ist Montage? Was hat sie mit Schönheit zu tun, was mit einer Sorge? Und kann es sein, dass Montage was mit Gefahr zu tun hat? Jedenfalls hat sie mit Schneiden zu tun. Foucault kommt aus einer Familie von Chirurgen und setzt ihre Geschicklichkeit mit dem Messer auf seine Weise fort. So jedenfalls äussert er sich im Gespräch.

Wie also tragen wir Sorge um uns, um die Sprache, um Bilder, um Geschichten und Geschichte? Vielleicht mit einem Messer? Mit kühnen Schnitten? Ist Schneiden schon montieren? Wie können wir uns die Montagearbeit der Sorge und wie die Sorgearbeit der Montage vorstellen? Gefährlich und schön? Vielleicht so schön wie die Filme Godards. Oder die Analysen Foucaults? Die uns auf einzigartige Weise erlauben, die eigene Sorge als eine Frage der Gefahr schön zu finden. 

In Alexander Kluges Film ‚Die Artisten in der Zirkuskuppel; ratlos’ geht es um  die spezifische Ratlosigkeit von Artisten als Bedingung der Möglichkeit künstlerischer Produktion. Durch seine Montage- und Sorgeverfahren stellt der Film selbst eine schöne Ratlosigkeit dar; ausgesetzt und sich selbst aussetzend.

Kann es sein, dass Ratlosigkeit eine ästhetische Haltung bedeutet, gefährlich und schön? Dass Ratlosigkeit als Verfahren des Innehaltens und Zögerns uns etwas erfahren lässt, was zutiefst ungesichert ist und seine Sicherheit aus genau dieser Ungesichertheit bezieht? Dass wir immer wieder ratlos auf unseren ganz eigenen artistischen Möglichkeiten beharren müssen, die nämlich, sich in Gefahr zu begeben, und uns zu sorgen? In diesem Aushalten von Ratlosigkeit, von Gefahr, von Sorge, ist das zu finden, was nicht ratlos ist, sondern womöglich schön.

Gemeinsam mit Ihnen möchte ich an zwei, drei Filmen und mit den Ausführungen Foucaults diesen Fragen nachgehen und nachschauen, wohin uns diese Auseinandersetzung bringt.

 

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