Warning: The magic method SFML_Singleton::__wakeup() must have public visibility in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php on line 72 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php:72) in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-includes/rest-api/class-wp-rest-server.php on line 1794 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php:72) in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-includes/rest-api/class-wp-rest-server.php on line 1794 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php:72) in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-includes/rest-api/class-wp-rest-server.php on line 1794 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php:72) in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-includes/rest-api/class-wp-rest-server.php on line 1794 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php:72) in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-includes/rest-api/class-wp-rest-server.php on line 1794 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php:72) in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-includes/rest-api/class-wp-rest-server.php on line 1794 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php:72) in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-includes/rest-api/class-wp-rest-server.php on line 1794 Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-content/plugins/sf-move-login/inc/classes/class-sfml-singleton.php:72) in /home/httpd/vhosts/kretzen.info/httpdocs/wp-includes/rest-api/class-wp-rest-server.php on line 1794 {"id":365,"date":"2016-04-29T08:16:24","date_gmt":"2016-04-29T08:16:24","guid":{"rendered":"http:\/\/kretzen.info\/?p=365"},"modified":"2016-04-29T08:17:17","modified_gmt":"2016-04-29T08:17:17","slug":"schule-der-indienfahrer","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/kretzen.info\/schule-der-indienfahrer\/","title":{"rendered":"Schule der Indienfahrer"},"content":{"rendered":"

10. Lektion, die nach einem kleinen Ausflug wieder zur\u00fcckkehrt zu Helmudos Anruf am Abend, der Rhein f\u00fchrt Hochwasser, die Luft r\u00f6hrt, der Fluss wirft sich auf gegen Ufer und Himmel. Noch ist unklar, wann das war, dann kommt schon der n\u00e4chste Abend und wieder ruft er an. Hier spricht Helmudo, mir geht es gut, ich kann mich rasieren, mir die Z\u00e4hne putzen, Kaffee trinken, Musik h\u00f6ren, Fernsehgucken. Alles so viel ich will. Verr\u00fccktsein ist nur Verr\u00fccktsein, nicht auch plemplem. Ich wei\u00df was von Alexander. In Indien. Seine Filme, sollen in der Schweizer Botschaft gezeigt werden, irgendein Jubil\u00e4um, n\u00e4chsten Herbst, November. Er ist Schweizer, sagt er und lacht, h\u00e4ttest du auch nicht gedacht, was? Wir m\u00fcssen hin, Indien, das wollten wir doch, wir m\u00fcssen fahren. Feed your Head, sagt die Haselmaus. Wie fr\u00fcher, V\u00e9ronique, durch die Gegend gefahren, immer auf Achse, G\u00fcnther dabei, Alexander hat gefilmt, auf Tonband aufgenommen. Das ist Soziologie, haben wir gesagt. Futter f\u00fcr unsere K\u00f6pfe. Sachen hin und her tragen, auch denken, f\u00fchlen, mit den Leuten reden, beobachten, forschen, B\u00fcrgerinitiativen, Anti-Atombewegung, nein danke, Frieda Kahlo an den W\u00e4nden, Hirsch mit Pfeilen im Leib, die gebrochene Wirbels\u00e4ule von tausend N\u00e4geln zusammegehalten, zwei offene Herzen in zwei Frauen, sitzen da auf den St\u00fchlen, alle schon ganz irre geworden von ihren Bildern, konnten nicht genug kriegen davon, egal, nach Wyhl auf den Bauplatz gefahren, Kaiserstuhl, erinnere dich, V\u00e9ronique. Du spinnst, sage ich. Nein, sagt Helmudo, ich bin nur verr\u00fcckt. Dann hast du es dir ausgedacht. Nein, im Fernsehen, ein Bericht aus Bangalore, der Stadt des Wei\u00dfen Tigers, Alexanders Name, wiederaufgetauchter Film aus den sp\u00e4ten siebziger Jahren, von ihm, neu geschnitten. Wo ist er? Irgendwann in der Nacht, ich wei\u00df nicht mehr, auf welchem Sender, BBC vielleicht, sagt Helmudo. Du hast getr\u00e4umt, irgendwelche Pillen genommen, eine zum Gr\u00f6sserwerden, eine zum Tr\u00e4umen, wir wissen doch gar nicht, ob er noch lebt. Peanuts, sagt Helmudo nach so vielen Jahren, legt auf, und ich rufe Abdul an. Was sollen wir tun? Abdul lacht. Er ist in Gie\u00dfen geblieben, als einziger, die ganze Zeit, einfach geblieben, was auch eine Art Indien ist. Theater sowieso. Wer im Theater lebt, der hat die ganze Welt. Seit Helmudo angerufen hat, habe ich das Gef\u00fchl, es w\u00e4re das Jahr 1976, sage ich. Es ist Sommer, und ich fahre nach Indien. Als erste, danach f\u00e4ngt das Verschwinden an. Vorher noch dieses Folk-Festival in der Stadt, lauter junge Menschen in d\u00f6rflichen Kleidern in den Ruinen des Schiffenbergs unterwegs, singen Lieder mit deutschen Texten, viele Gitarren, Helmudo spielt alle Lieder nach, noch Jahre sp\u00e4ter. Ein Schiff sticht in See, sein Steuermann ein windiger Kerl. Wir segeln mit, spielen ein St\u00fcck von einem schwarzen Fisch, der ist Iraner, ein kleiner, und bald werde ich durch das Land fahren, aus dem er kommt. Land vor dem Land. W\u00fcste in der W\u00fcste. Unendlichkeit. Als die Iraner von der Revolution tr\u00e4umten, sagt Abdul, als der Schah ihr Feind war, als noch so viele von ihnen in Gie\u00dfen lebten, hier studierten, sich bereithielten f\u00fcr die Revolution, die meisten von ihnen in der CISNU organisiert, Trotzkisten, sch\u00f6ne, h\u00f6fliche, junge M\u00e4nnern, Orientalen, nicht zu vergleichen mit unseren Revolution\u00e4ren. Die glaubten, revolution\u00e4r zu sein, f\u00fcr etwas zu k\u00e4mpfen, w\u00fcrde ihnen erlauben, sich gehen zu lassen, die Form zu verlieren, wenn nur der Kampfeswille stark war, dabei war es doch umgekehrt, sagt Abdul. Die Iraner in der Stadt machten sie sch\u00f6ner. Sie sprachen in B\u00f6gen, verschlungen, \u00fcber viele Nebenwege, und waren dann doch da. Nie n\u00e4herten sie sich einer Sache auf gerader Linie. Einer von ihnen spielte mit bei dem St\u00fcck, es war seine Idee, dass wir es spielen. Ich war der kleine schwarze Fisch, hast du das vergessen, V\u00e9ronique? Er spielte den gro\u00dfen. Kiu. Der gro\u00dfe Fisch gab den Auftrag zur\u00fcck, Ende, keine Revolution. Er war m\u00fcde, ausgeblutet, er hatte allen Mut verloren, schon damals. Ich, der kleine, mahnte ihn, sprach ihm Mut zu, Kraft. Was wir nicht ganz machen, kehrt zur\u00fcck, sagte ich ihm. Oder ich sagte ihm: Wir wollen an den anderen glauben, wie wir verzweifelt an uns selbst glauben wollen. Oder ich rief: Himmel, du mein Bruder, sei auf der Hut. Ja, sagte der gro\u00dfe Fisch, es lebe die Revolution, und er z\u00fcckte sein Messer. Ja, sagte ich, erst ist es heute, dann gestern, dann vor einer Woche, einem Monat, ein Jahr schon, noch eins, die Revolution bricht aus, sie ist siegreich, der Schah flieht, der Revolutionsf\u00fchrer Chomenei kehrt zur\u00fcck aus seinem Pariser Exil, die Ordnung bricht zusammen, unfassbar die vielen Toten, die von vorher, die von nachher und die, die noch sterben werden. Wieder Tage, Monate, Jahre, wo die nur wieder herkamen. Du wirst zur\u00fcckkehren, du wirst weggehen von hier, deine Freunde, Genossen, ihr sch\u00f6nen h\u00f6flichen M\u00e4nner in unserer traurigen Garnisonsstadt, ihr geht, macht noch ein Abschiedsfest, dann werden wir nichts mehr von euch h\u00f6ren, die Revolution frisst alle auf, bis hierher. Wir haben uns angeschaut, der kleine und der gro\u00dfe Fisch auf der B\u00fchne des Schiffenbergs, die anderen standen im Hintergrund, haben den Vorhang gehalten, den sie jetzt \u00fcber uns breiten, die Szene zu Ende. Sind wir tot? Das St\u00fcck, was wir gespielt haben, unabschlie\u00dfbar wie das Leben. Kein Ende steht auf den Kartons, die die anderen nun \u00fcber die B\u00fchne tragen, eine Art Endlosband mit den immer gleichen zwei Worten. Anstelle Sichel und Hammer ziehen sie einen Stern mit Schweif auf. Morgenland. Lucy, how are you in the sky? Es ist so lange her, ein anderes Leben. Nein, sage ich, es ist ein und dasselbe. Die Zollstation hinter dem Ararat, Grenz\u00fcbergang, T\u00e4bris die erste Stadt im Iran. Stra\u00dfen durch die endlose W\u00fcste, lang, gerade, einmal in der Nacht ein brennender Tanklastwagen, kommt auf uns zugerast, nein, ein Traum, ein Schrei, vielleicht Kojoten, und enden an einer Verkehrsinsel, alle Stra\u00dfen Irans, in der Mitte eine Art Blumenbeet, von lila Pflanzen bewachsen, die Bl\u00e4tter wassergepolstert, speckig, kleine helle geduckte Bl\u00fcten, W\u00fcstenf\u00fcchse, einmal im Kreis fahren und dann weiter. Weiter Richtung Osten, manchmal auch Ortschaften hinter den Verkehrkreiseln. Langes Band von Reparaturwerkst\u00e4tten aller Art. Teeh\u00e4user, geduckte H\u00e4usern, auf deren D\u00e4chern die W\u00e4sche weht. Wir fahren schnell, wir wollen nicht bleiben, uns nicht umdrehen. In Teheran Tee getrunken, Lammfleisch gegessen, langes, d\u00fcnnes Brot, zum Kaspischen Meer hoch, und von Kreisel zu Kreisel weitergeworfen, um die eigene Achse gedreht und wieder geradeaus. Das ist der Weg nach Indien. Wir baden im Kaspischen Meer, kochen Tee, baden nochmal, \u00fcbernachten am Strand, brechen fr\u00fch auf zur letzten Etappe. In Afghanistan ist alles anders. Fritz war schon mal da mit Petra, ein Jahr vorher. Sie wissen wohin, kennen Hotels, Campingpl\u00e4tze, wegen des Autos. Die Betten im Freien, auf der Wiese, unter B\u00e4umen, Pinien und Kiefern. Afghanistan, ein M\u00e4rchen. Es war einmal ein uneinnehmbares Land. Es gab einmal Buddhisten im Orient, Nomaden zogen vom Norden in den S\u00fcden, von den H\u00f6hen in die Niederungen, sie hatten Herden, trieben Handel, sie hatten Oasen und zogen weiter. Als ich nach Herat kam, stockte mir der Atem, oder das Blut. Ich schloss die Augen, ich war uralt und alles um mich herum fing gerade erst an, wuchs in den Himmel, drehte sich im All. Pferdekutschen fuhren eilig durch die Stra\u00dfen, die von Kiefern ges\u00e4umt wurden. Es ist Nachmittag, schon gegen Abend, die W\u00fcste liegt vor der Stadt, ihr Licht f\u00e4rbt die Schatten der Zweige erst rot, dann blau, dann dunkel. Die Luft ist so trocken, als w\u00e4re sie aus Stroh. Leichter Wind geht. Welche V\u00f6gel erheben sich zu dieser Stunde? Fliegen vielleicht ein St\u00fcck in die W\u00fcste hinaus, den Bergen zu. Die Sonne brennt ihre Fl\u00fcgel, sie rufen nicht, singen nicht. Erst sp\u00e4ter lassen sich die H\u00e4hne h\u00f6ren. An den Kutschen kleine Glocken, bimmelndes Getrappel der Pferdchen, die M\u00e4nner in Kaftanen, auf dem Kopf einen Turban. Frauen ganz in der Deckung. Hier ist die Revolution nur kurz gewesen, schon wieder vorbei, vor der T\u00fcr stehen die Russen, haben schon angeklopft, die Stra\u00dfe von Herat nach Kandahar und wieder hoch in den Norden nach Kabul, haben die Russen gebaut. F\u00fcr ihre Panzer. Sie sagen es uns in jeder Teestube, in jedem kleinen Rasthaus am Rand der Strecke, wo wir anhalten, ersch\u00f6pft schlafen, Tee trinken, Kuchen kaufen, das flache Brot, Joghurt. Sie k\u00f6nnen die Russen kommen h\u00f6ren, das Ohr am Asphalt. \u00dcberall das Geschirr der Engl\u00e4nder, wei\u00df mit kleinen roten Rosen. In Herat die Stra\u00dfen sind schmal, die Gehwege aus Lehm. Teestuben reihen sich aneinander, zeltartige Vorbauten, M\u00e4nner hocken auf Teppichen, auch im Inneren der R\u00e4ume sind die B\u00f6den aus festgeklopftem Lehm. Die H\u00e4user fangen an zu strahlen in der D\u00e4mmerung, sie gl\u00fchen, und ihre Farbe gleicht der Sonne. In den B\u00e4ckereien brennen die \u00d6fen, der B\u00e4cker, der die d\u00fcnnen Brote gegen die Innenwand des Ofens schl\u00e4gt, gleich sind sie gebacken, von unten das Feuer. Er tr\u00e4gt einen gro\u00dfen Lederhandschuh, seine Bewegungen wie eine gro\u00dfe Marionette. Er arbeitet schnell, Kinder kommen und tragen Berge von Broten in den Armen. Sie laufen nach Hause. Schon werden in den kleinen Gesch\u00e4ften mit Gem\u00fcse, Obst, Getreide die Lampen angez\u00fcndet, einzelne gelbe Elektrobirnen, die von der Decke h\u00e4ngen, Kerosinlichter. Wie Signale, wir sind hier auf hoher See, umgeben von W\u00fcste, wir schwimmen, halten Kurs, legen uns auf den Teppich, um uns bald mit ihm zu erheben, zu schweben durch die Nacht mit den hellen, viel zu gro\u00dfen Sternen. Sie sind hier so dicht, so dr\u00e4ngend, kommen immer n\u00e4her, der Nachthimmel eine Ewigkeit, Rand der Zeit, gleich greifen sie nach dir, rei\u00dfen dich los von deinem Lager, schleudern dich ins All, selbst ein brennendes Etwas, Fremde, Ferne, hier hast du sie. Da kannst du noch so viel Opium fressen, Heroin spritzen, dir das Hirn einnebeln, all das ist nichts gegen uns auf dem Weg durch die Nacht in der Zeit, die wir umkreisen, stetig, und in unabl\u00e4ssiger Wiederholung; die Schiffe an Land, die am Rand der W\u00fcste ankern, eine kleine Armada, dicht zusammengedr\u00e4ngt, nur wenige aus Stein, mit Fenstern aus Glas, mit Gittern versehen, umgeben von H\u00fctten, zeltartigen D\u00e4chern, Stangen, Bretterverschl\u00e4gen, sie alle treiben mit ihren L\u00e4mpchen in die Nacht, in die W\u00fcste, die ist das Meer, der Himmel die Erde, die Sterne L\u00f6cher, in denen sich alles viel schneller bewegt als hier unten auf See im Florenz Asiens, wie es genannt wurde, Perle des Orients, Herat, noch immer stockt mir der Atem, das ist, was ich behalten habe von Herat. Kann das sein? sage ich. Nein, sagt er, es ist, als w\u00e4re die Zeit jetzt, das Jahr 2014, es ist Fr\u00fchjahr und Helmudo, der Verr\u00fcckte, hat angerufen. Es wird gek\u00f6pft, geh\u00e4utet, die Aug\u00e4pfel aus den H\u00f6hlen gerissen. Vor hundert Jahren machten sie sich gerade daran, die Gr\u00e4ben auszuheben, nach denen der erste gro\u00dfe Weltkrieg benannt wurde. Die Menschen gingen in Stellung, in die Gr\u00e4ben, hinter W\u00e4lle, dann blieben sie so. Ihre Kinder in den nahegelegenen D\u00f6rfern spielten alles nach, liefen \u00fcber die Erde, gingen in Deckung, erschossen sich, fielen zu Boden. Auch sie blieben so. Heute noch sind in Frankreich die Gr\u00e4ben zu sehen. In W\u00e4ldern, auf H\u00fcgeln, neben Fl\u00fcssen. Zusammen mit den Friedh\u00f6fen f\u00fcr die Gefallenen. Wie die get\u00f6teten Soldaten im Krieg genannt werden. Fahnen wehen im Wind \u00fcber sie hinweg, sie klirren. Und f\u00e4llst du in den Graben, fressen dich die Raben. Nach zwei Weltkriegen wusste jedes Kind, das auf den Knien von V\u00e4tern oder Onkeln ritt, dass diese Raben keine waren. Sie herrschten in einem leeren Himmel. Unter dem sind wir herangewachsen, ruhelos, wie es unsere Art ist. Le Fou, sage ich. Wer hat ihn gerufen? Indien. Was sonst. Wo ich mein Gef\u00fchl f\u00fcr mich verloren habe, damals, als ich zur\u00fcckkam und erst sp\u00e4ter merkte, dass ich gar nicht da war. Wei\u00dft du noch? Ich habe nie verstanden, warum Alexander nicht mit dir gefahren ist, warum bist du allein gefahren? Ich wei\u00df noch, als wir uns das letzte Mal sahen, bevor du los bist, im Caf\u00e9, das Semester gerade zu Ende. Danach war nichts mehr wie vorher. Alexander hat immer gesagt, der Schnitt im Film ist wie der Tod im Leben, sage ich, ein Satz von Pasolini. Der mir Angst machte. Darum hat er mich fahren lassen. Hast du ihn verlassen? sagt Abdul. Wir schweigen. Komisch, sagt er, wie wir jetzt sprechen. Als w\u00fcrden wir wie der tote Jesus \u00fcber die Erde fliegen und unter uns in unseren Zimmern, du in Basel, ich in Gie\u00dfen, w\u00fcrden zwei Menschen stehen, Abdul und V\u00e9ronique, den H\u00f6rer in der Hand, und sie w\u00fcrden miteinander sprechen wie zwei alte Geister, irgendwann abgehauen aus den Geisterbahnen der Kirmes. Und sie sagen, wei\u00dft du noch? Wie hast du dich gef\u00fchlt? Warum? Diese Fragen, die wir uns nie stellen, wenn sie angebracht sind, nicht, so lange wir jung sind. Fragen, die immer zu sp\u00e4t kommen, sagt Abdul. Ja, sage ich, sie sind das Zusp\u00e4tkommen selbst und stehen uns noch immer bevor. Seit Alexander verschwunden ist, habe ich mich meinem indischen Gef\u00fchl, dem Gef\u00fchl f\u00fcr mich in Indien, nicht mehr auszusetzen. Ich habe mich nicht getraut. Bis jetzt, Abdul. Ich wei\u00df, sagt er. Vielleicht gibt es einen Film, vielleicht lebt Alexander, sage ich. Ja, wir werden reisen, sagt er, wir werden ihn finden, Alexander, seinen Film, alles wird da sein, G\u00fcnther, wir, die uralten Sch\u00fcler der Geschichte, des Schneefalls. Noch immer wollen wir wissen, noch immer lieben. Alles und alle kommen mit. Jesus am Kreuz? sage ich. Ja. Die Kriegswitwen? Ja. Horstchen? Ja. Schwester? Ja. Edith, Susan, Trotzki und der tote Lenin? Ja. Die Verschollenen, die Buddhastatuen von Bamiyan, die B\u00e4ckersleute von der Bismarckstra\u00dfe? Ja. Und wir, Abdul, die Zeit, der Wolf, die Gei\u00dflein, die Kreidefresser und John Lennon. Einmal explodierte in einem Bauernhaus ein roter Igel, danach kam ein Kind zur Welt und ich wurde Trotzkistin. Wir wollen es Indien nennen, sagt Abdul. Und Angst, Abdul. Angst, nicht sagen zu k\u00f6nnen, was ist, was war, was noch immer nicht ist, immer wieder nicht. Angst, keine Sprache zu finden f\u00fcr das Leben, das unabl\u00e4ssig zu uns \u00fcberl\u00e4uft. 1<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

10. Lektion, die nach einem kleinen Ausflug wieder zur\u00fcckkehrt zu Helmudos Anruf am Abend, der Rhein f\u00fchrt Hochwasser, die Luft r\u00f6hrt, der Fluss wirft sich auf gegen Ufer und Himmel. Noch ist unklar, wann das war, dann kommt schon der n\u00e4chste Abend und wieder ruft er an. Hier spricht Helmudo, mir geht es gut, ich … Schule der Indienfahrer<\/span> weiterlesen →<\/span><\/a><\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[5],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/365"}],"collection":[{"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=365"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/365\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":367,"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/365\/revisions\/367"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=365"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=365"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/kretzen.info\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=365"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}