Lucy in the Sky with Diamonds, \u00e2\u20ac\u201c die Beatles sagen, mit LSD h\u00e4tte diese ihre Lucy nie was zu tun gehabt – doch wie auch immer, sie lag in jenen Jahren in der Luft, in der auch dieses Bild zu schweben scheint. Das Bild einer Sternennebelgeburt, mehr Raumschiff als Bild und wie jede Geburt und jedes Bild eine Art Fahrt ins Blaue. Kleiner Ausflug also, fr\u00fcher Morgen im Universum. Wir haben uns lautlos aufgemacht, treiben hoch \u00fcber dem Horizont in engem Bildrahmen, an den Seiten zusammengestaucht, weiter nach oben mitten im Geburtskanal. All das geschah, als ein paar Menschen ihre F\u00fcsse auf den Mond stellten, und die Tr\u00e4ume der Erde von ihrem Muttertrabanten abgenabelt wurden.
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\nDa half dem Maler mit dem ausgepr\u00e4gten Sinn f\u00fcr den feinen, schwebenden Geist aller Lucys dieser Welt nur eins: Einen neuen blauen Lichtk\u00f6rper ins All zu schicken, durchw\u00f6lkt, verschleiert, gefleckt. Ein Bruder der Erde, eine Schwester des Monds. Die Wiederkehr des geblendeten Zyklopenauges. Die r\u00fcckg\u00e4ngig gemachte Odyssee. Odysseus kehrt zur\u00fcck im von ihm geblendeten Auge des Zyklopen. Wird also jener listige Niemand zur\u00fcckkehren und zu Jemandem werden? In diesem allseits durchl\u00f6cherten K\u00f6nigreich des Auges? Durch das kosmische Sternennebel treiben im abgelenkten Licht \u00fcber dem grundlosen Grund der Materie, jenem blau-weissen Band an der unteren Bildkante, Fries, voll mit Gestalten ungewisser Art: Fischen, Echsen, Walen, tanzenden Indianern, Hohepriestern, K\u00e4mpfern in der W\u00fcste, alle nur noch Schatten ihrer selbst, vor vielen Jahren explodiert und l\u00e4ngst untergegangen.<\/p>\n
Engel sind hier jedenfalls keine im Spiel, sie versagen in der N\u00e4he magnetischer Felder, k\u00f6nnen ihre Fl\u00fcgel nicht mehr schliessen, verschwinden hinter dem Ereignishorizont der raumzeitlichen Bildgeburtswelt. Aber Lucy ist da. Mit ihren Kaleidoskopaugen, die sie sich zu diesem galaktischen Festmahl angelegt hat, so viele wie m\u00f6glich, zusammengetrommelt aus allen Herren L\u00e4ndern. Wie sie da hocken, aufgereiht in den Ringen der Spirale. Sehen wie die Male kleiner Z\u00e4hne aus, wie Meerzahnschnecken, die um ein schwarzes Herz kreisen. Kann sein, dass das Herz ein Loch ist und bald wird alles, was wir sehen, darin verschwinden. Denn die dunklen Herzen der Milchstrasse ziehen nicht nur die Lucys mit der Sonne in den Augen an, sondern sie verbiegen f\u00f6rmlich die Raumzeit. <\/p>\n
Wohin wir auch schauen, in diesem halb schwebenden, halb rotierenden Augenk\u00f6rper schliesst sich nichts ab. Aussen und innen durchdringen sich, wie das Bild vor unseren Augen den Blick. Wir schauen aus einem durchbrochenen Diesseits in ein l\u00f6chriges Jenseits. Was ist dahinter, was geht da vor? Ein Sturm tobt, schleudert Blitze ins Nebelmeer hinter den Punkten, setzt den Himmel unter Strom. Angetrieben vom Atem der Tr\u00e4ume die Konturen wallender Wesen, Geister, Schatten, abgeirrter und abgetrennter Teile von uns, die wir auf den Mond geschossen haben, in den Weltraum. Die alten Argusaugen, von denen wir nichts mehr wissen wollten. Sie kehren alle wieder, sind geblieben, schauen uns an. Vergessen wir nicht, das Auge, mit dem wir schauen ist auch das, mit dem wir angeschaut werden. Und was wissen wir schon davon, was in uns vorgeht?<\/p>\n
Je n\u00e4her wir das Bild betrachten, umso ferner schaut es zur\u00fcck. Als ob es sich vor unseren Augen in den vielen gerasterten L\u00f6chern dieser verschleierten Sternenschleuder verfangen h\u00e4tte und zugleich und unversehens aus ihr hervorbrechen w\u00fcrde. Das ist die Geburt, die sich selbst erzeugt, leer von jedem Tun und Sinn. Nie wird es etwas n\u00fctzen, dieses Bild anzur\u00fchren, es zu besetzen, es in Besitz zu nehmen in seinem allseitigen Str\u00f6men, im kosmischen Toben und Schw\u00e4rmen von Licht und Dunkelheit. Mit seinen leuchtenden Lieblingen, farbigen Regungen hinter der grossen Schleuder in den Augen der Lucys unserer Welt. <\/p>\n
Die vielen L\u00f6cher, die der Maler in die Haut aus Licht und Farbe gemalt hat, um zu sehen, was dahinter kommt, was hinter dem All steckt, wie hinter all dem, was wir Tag nennen, Nacht, Mond und Sterne, – kann es sein, dass sie uns das Unber\u00fchrbare, Ferne, das, was uns entgeht, n\u00e4her bringen? So nah, wie nur das Ferne sein kann und so vage, wie der klare Himmel \u00fcber uns.<\/p>\n
Friederike Kretzen 16. Mai 2013<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Lucy in the Sky with Diamonds, \u00e2\u20ac\u201c die Beatles sagen, mit LSD h\u00e4tte diese ihre Lucy nie was zu tun gehabt – doch wie auch immer, sie lag in jenen Jahren in der Luft, in der auch dieses Bild zu schweben scheint. Das Bild einer Sternennebelgeburt, mehr Raumschiff als Bild und wie jede Geburt und … Zu Max Ernst NAISSANCE D’UNE GALAXIE \/ BAZ 24.5.13<\/span> weiterlesen