Lernen, was nicht zu lernen ist: das Handwerk des Schreibens.

 

Godard hat der Jury US-amerikanischer Filmkritiker, die seinen letzten Film „Adieu au Language“ zum besten Spielfilm des Jahres 2014 gewählt hat, eine Postkarte geschickt. Auf der stand: Ich lerne noch immer. Der Mann ist 84 und wenn einer in diesem Alter für sich noch beansprucht zu lernen, so ist das mehr als subversiv. Heisst es doch, dass die Arbeit weiter geht, dass es kein Ankommen und dann weiss ich, wie es geht, gibt. Darum aber genau geht es, dafür hat Godard immer gestanden. In seinen Filmanalysen hat er nach fehlenden Szenen gefragt. Er kritisiert, dass sie nur selten zum Gegenstand des Sehens, der Filmerzählung geworden sind, sondern meistens einfach nur fehlen. Seine Filme dagegen bewegen sich zwischen fehlenden Szenen und bringen sie zu einem Fehlen, das erscheinen kann, das anwesend ist, den Film durchdringt. Leben tun wir aus Mangel an Leben. Kunst entsteht aus diesem Mangel und sucht ihn. Sie will ihn nicht aufheben, sondern übersetzen. Will Sagen, Zeigen, Darstellen, dass Mangel ist und uns bestimmt. Unablässig.

Was für ein Lernen ist das, das Godard auch weiterhin für sich beansprucht? Wie können wir es für das Schreiben ansehen und hat dieses Lernen mit etwas zu tun, das fehlt, dessen wir ermangeln? Das uns unsicher macht, wenn wir schreiben? Sprache ist grundlegend ungewiss. Sie gibt uns keine Beweise ihrer Gültigkeit ausser sich. Und hüten wir uns vor anderen Gewissheiten, sie fallen uns gerne von hinten an. Als böse Überraschung, falsche Freunde, Täuschungen. Nicht umsonst handeln so viele Geschichten davon, dass ein Mensch, im Bemühen, der Gefahr zu entgehen, sich ihr entgegen bewegt. Geschichten, die sehr genau davon erzählen, dass wir nicht wissen können, was geschieht. Das allerdings gilt es zu wissen.

Wörter, wie sollten wir ihrer auch sicher sein können? Dessen, was sie sagen und was sie nicht sagen? Ständig verbinden sie sich mit anderen Wörtern, tragen Bedeutungen in sich, die erst in bestimmten Zusammenhängen lesbar werden. Sie bilden

Rhythmen und Folgen, plötzlich spricht sich etwas in ihnen aus, das wir so lange nicht wahrnehmen konnten.

Schreiben ist das Geschehen eines Werdens, stets unfertig. Das ist seine Offenheit. Eine Offenheit, die mühelos all unsere Vorsätze, Pläne, Plots, Konzepte hinter sich lässt. Auch wenn wir die brauchen, allerdings eher, um sie aufzugeben, wie eine Taschenlampe auf dem dunklen Weg des Vermissens und Findens. Nicht von etwas anderem, sondern von uns als etwas anderem.

In diesem Seminar soll es um Fragen des Lernens und Schreibens gehen. Vorallem um die, die wir schnell vergessen, auf die wir nicht kommen, von denen wir absehen. Ich möchte gerne ausgehend von Ihren aktuellen Arbeiten eine kleine Praxis des Fragens und Fehlens versuchen. Wichtig bei all dem ist, alles, was uns dabei geschieht, wichtig zu nehmen als Teil einer Arbeit, die sich dessen, was sie zu erkennen sucht, nur aussetzen kann.