Laboratorium: Gegenwart schreiben | Einladung an die KollegInnen

Das Laboratorium möchte einen internen Forschungsraum ermöglichen, in dem vor den wie auch immer projizierten Anforderungen einer phantomatischen Öffentlichkeit eine gewisse Ruhe und Schonung für Austausch und Verständigung mit und durch unsere Arbeit gewährleistet werden kann.
Die Idee zu einem Laboratorium reagiert auf das Verschwinden von Schutz- und Absonderungsräumen innerhalb des Literaturbetriebs im engeren Sinne und versucht, gegen den Vereinnahmungsdruck von Markt und Medien die Bedeutung spezifisch literarischer Verfahren des Denkens und Zusammenfügens sichtbar zu machen. Das kann Literatur allerdings nur als Literatur, und eben nicht durch Ausweichen in Gebiete der Kulturwissenschaften und/oder der von den Medien angebotenen Verkündigungspositionen für Gross- und Kleindeuter.

Für unser Zusammenkommen schwebt mir so etwas wie die Bestandsaufnahme unseres gegenwärtigen Arbeitens vor:
Woran arbeiten wir, in welchen Sprach-, Land-, Geschichtsgebieten bewegen wir uns, in welchen Zusammenhängen verirren und zerstreuen wir uns. Dies sind Fragen, die jede Schreibarbeit durchdringen. Fragen, die sich uns in jedem Text, an dem wir arbeiten, neu stellen und insofern Antworten finden, als dass sie sich wieder und ein wenig anders stellen. Sich auf sie schreibend einzulassen, ermöglicht uns, einmal kurz durch Jahre, Jahrhundert gehen zu können und Orte wie Geschehen der Geschichte so weit wie nah in eins, in einen Satz, zwischen einen Textabschnitt und den nächsten setzen zu können. Diese Schreibbewegung ist eine Arbeit am Vergegenwärtigen von Zeit und der sich in ihr zusammensetzenden Orte und Räume. Sie schafft Gegenwart, deren Ort der Text ist.

Das Laboratorium will an unsere Arbeit wieder die Fragen
stellen, die die Anträge von Seiten des Literaturbetriebs durchqueren und zu so etwas wie den Grundlagen des Schreibens und des Denkens von Geschichten kommen. Dies könnte ein Anfang sein, eine Art Forschung zu initiieren, die systematisch zu ergründen versucht, wie mit und im Material Sprache so etwas wie Gegenwart erkennbar werden kann.

Zur kurzen Darlegung und Veranschaulichung dessen, was uns momentan beim Schreiben beschäftigt, können sowohl eigene Texte, aber auch die anderer vorgelesen werden. Auch Filmausschnitte, Musikstücke oder Bilder können hinzugezogen werden. Die Vorstellung des Materials, an dem und mit dem wir arbeiten – das zugleich nichts anders ist als die konkrete sprachliche Auseinandersetzung -, soll die Grundlage für das Gespräch werden, das wir mit unserem ersten Treffen zu eröffnen versuchen wollen.
Das Treffen soll eines von mehreren sein, zu denen wir uns jeweils wieder verabreden. Ich möchte, dass wir beginnen können, ohne wissen zu müssen, was geschieht und was daraus wird. Vielmehr soll die Gegenwart der Begegnung, die Wahrnehmung der Fragen und Beschreibungen der Teilnehmenden der Gegenstand unseres Zusammenkommens sein und werden.
In welcher Form wir unsere Treffen festhalten, protokollieren, notieren wollen, würde ich gerne mit euch zusammen überlegen.

Erster Bericht
Zweiter Bericht
Dritter Bericht
Vierter Bericht

Protokolle 1
Protokolle 2
Protokolle 3