Für wen wir schreiben

Die Vorbereitung des Romans und der rasende Wille nach einem vollständigen, absoluten Ausdruck unserer selbst. Für wen wir schreiben. Sechste Runde.

Sind Sie erfahren? Alte Jimmy Hendrix Frage. Sind Sie bereit, in den Abgrund zu springen? Sich dem rasenden Willen nach der Suche des vollständigen, unbedingten Ausdrucks unserer selbst auszusetzen? Sich auf die Suche nach den unbekannten Gegenden unseres Herzens zu machen, in die erst der Schmerz eintreten muss, damit es sie gibt, wie Virginia Woolf schreibt? Roland Barthes nennt den Roman die Praxis des Kampfes gegen die Trockenheit des Herzens. Auf diese Praxis möchte ich mich zusammen mit Ihnen vorbereiten. So praktisch wie möglich. Was ist das für eine Erfahrung, vorbereitet zu sein? Vor allem, wenn es um Abenteuer des Geistes und des Schreibens geht? Abenteuer, aventure, das Wort kommt von ad-venire, und das ist das, was einem zustösst. Können wir vorbereitet sein auf das, was uns zustösst? Wo doch das, was uns zustösst, das ist, was wir vorher nicht wissen können, was uns eben wie ein Abenteuer geschieht, sonst wäre es keins? Roland Barthes Vorlesungen „Die Vorbereitung des Romans“ sind selber ein Roman, und vielleicht ist das die schönste Art, sich vorzubereiten. Sie handeln von den Abenteuern der Vorbereitung, indem sie die Ankunft, also das Schreiben des Romans, aufschieben. So öffnet sich im vielfachen Befragen und Ergründen von all dem, was Schreiben ist, was es braucht, in was es zerlegbar ist, wie es geschieht, mit welcher Frage, welchem Willen und Wuchern ein ungeheurer Raum der Möglichkeiten, wie und was alles schreibbar wäre, wie ein Roman werden könnte, wovon er handeln könnte, und darin nehmen all die Autoren Platz, die Barthes Reise begleiten. Kafka, Flaubert, Proust vor allem, und sie schreiben mit an dem Roland Barthschen Roman, der den Titel trägt: Die Vorbereitung des Romans. So gewinnt er Land zwischen Lossegeln und nicht Ankommen, unsicher, zugleich ganz und gar sicher, – denn täuschen wir uns nicht, die Ungewissheit ist eine Gewissheit. Wir befinden uns hier im Gebiet des Romantischen, in dem die Annahme, dass das Unfertige, Unvollendete, Improvisierte dem Zauber der Schönheit näher käme als das Fertige, Routinierte, Eingespielte. Machen wir uns also auf den Weg, nehmen wir uns etwas vor und probieren wir, ob es uns erfahrener macht im Umgang mit dem Schreiben. Das nichts ist, wenn es kein Abenteuer bedeutet. Ich möchte mit Ihnen die Vorlesungen von Barthes studieren und an der Vorbereitung von Romanen arbeiten.