Archiv der Kategorie: Seminare Literaturinstitut Biel

Shakespeares Schwester und wir

Virginia Woolfs Essay ‘A Room of One’s Own’ endet mit ihrer eindringlichen Bitte an zukünftige Generationen schreibender Frauen, der toten Dichterin, die Shakespeares Schwester war, die Gelegenheit zu geben, dass sie sich endlich den Leib anlegen kann, den sie so oft gezwungen war, abzuwerfen.
Was für ein Bild ist das? Was für ein Leib?
Abgeworfen und doch vorhanden, anlegbar und zu neuem Leben fähig. Ein Leib, der mit der Arbeit des Schreibens zu tun hat, das aus den traditionell zugestandenen Formen und Bezüglichkeiten von Frauen ausbricht; das sich auf eine Welt der Wirklichkeit bezieht, nicht nur die der Männer und Frauen, wie Woolf schreibt.
Der Bezug zur Welt der Wirklichkeit verläuft quer zu binären Ordnungen, zu klaren Einteilungen und Urteilen. Erst in dieser Querung, in den Bezügen zu den Dingen an sich, dem Himmel und den Bäumen, lässt sich der abgelegte Leib von Shakespeares Schwester auffinden, dort überlebt er, mag er auch noch so vergessen sein. Denn er ist der Leib des Vergessens. Und das Vergessen, so formuliert es Marguerite Duras, ist das noch nicht Geschriebene: Das Schreiben selbst.

Ich frage mich, ob sich für Shakespeares Schwester so viel verändert hat. Freie Menschen und Frauen werden wie Verrückte behandelt, sagt Duras. Wie Woolf eine, die genau weiss, wie viel zu schnell wieder vergessen wird, was von all dem zu schreiben versucht, das den Leib von Shakespears Schwester ausmacht.

Zusammen mit Ihnen möchte ich mich mit dem Werk von Duras auseinandersetzen. Nachschauen, was wir von ihren Texten und Filmen gebrauchen können. Um die Arbeit am Leib von Shakespeares Schwester nicht zum Stillstand kommen zu lassen. Es ist an uns darauf zu achten, dass sie nicht wieder da, wo die Omnibusse an der Station Elephant and Castle abfahren, wie Woolf vermutet, begraben bleibt.

Lange Nacht Duvanel

Non-Stop Lesung | Schweizerisches Literaturinstitut HKB Bern

Samstag 3.12.22 zur Einführung

EIN ABEND DER GASTREUNDSCHAFT UND EINE NACHT IM ZIRKUS

Denn: „WIR ARTISTEN AN DER WERKBANK, IN DER WISSENSCHAFT, IN LIEBESDINGEN, IN DEN LEBENSLÄUFEN UND IM ZIRKUS, GEBEN UNSER LEBEN FÜR ETWAS, DAS SEINE TOTEN WERT IST…“ Sagt Kluge.
Und, das sagt er zu Benjamin, was ich gerne auch zu Duvanel sagen möchte: Tatsächlich schrieb sie für die Ewigkeit. Das ist der Beruf der kritischen Autorin.

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UNENDLICHER SPASS

Literaturinstitut Biel / Ausschreibung HS19 / Für wen wir schreiben, zehnte Runde. 

David Foster Wallace UNENDLICHER SPASS ist ein beunruhigendes, unheimliches Stück Literatur. Ein Gegenwartsroman, der uns das Fürchten lehren kann. Geschrieben von einem, der die Angst kennt. Denn Wallace ist bei den Gescheiterten in die Lehre gegangen und er lehrt uns, dass wir von ihnen lernen können – vielleicht nur von ihnen. Von ihnen und dann wieder von uns, die wir mit ihren Lehren auch nur scheitern können. 

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Warum das Glück der Artisten ein ratloses ist und wie wir es lernen können

Für wen wir schreiben. Achte Runde / Literaturinstitut Biel Ausschreibung HS 18

Seit Alexander Kluges Film „Die Artisten in der Zirkuskuppel; ratlos“ sind Artisten ratlos und zwar, weil sie Artisten sind. Es heisst im Film, dass sie als Artisten nur so tun, als könnten sie fliegen. Während sie im wirklichen Leben natürlich fliegen können.

In diesem Widerspruch zweier Vermögen hält sich die ganze schöne widersprüchliche Spannung von Leben und Kunst auf, die wir nicht reduzieren können, nur immer wieder durchqueren und vermehren.

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Vom Poetischen als einem Einsammelverhältnis

LI Biel FS 19 / Seminar auf Wunsch von ein paar Artisten, die zusammen mit mir im letzten Semester an der Ratlosigkeit gearbeitet haben.

Im nächsten Herbstsemester plane ich ein Seminar zu David Foster Wallace Roman „Unendlicher Spass“. Als Vorbereitung darauf würde ich gerne ein paar Umwege zu diesem Spass und seiner Unendlichkeit versuchen. Dabei stelle ich mir vor, einige Abstecher nach Amerika und zu Walser zu machen. Denn vor allem möchte ich mit Ihnen zusammen überlegen, ob Literatur nicht ein Heim für all das Obdachlose, Übriggebliebene, all das, was nicht aufgeht in den uns angetragenen Formen glücklichen, intensiven Lebens, sein könnte. 

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Biel Ausschreibung HS 18: Für wen wir schreiben. Achte Runde.

Warum das Glück der Artisten ein ratloses ist und wie wir es lernen können.

Seit Alexander Kluges Film „Die Artisten in der Zirkuskuppel; ratlos“ sind Artisten ratlos und zwar, weil sie Artisten sind. Es heisst im Film, dass sie als Artisten nur so tun, als könnten sie fliegen. Während sie im wirklichen Leben natürlich fliegen können.
In diesem Widerspruch zweier Vermögen hält sich die ganze schöne widersprüchliche Spannung von Leben und Kunst auf, die wir nicht reduzieren können, nur immer wieder durchqueren und vermehren.

So können wir im wirklichen Leben zwar schreiben, aber als Schriftsteller und Schriftstellerinnen ist es ja oft genug so, dass wir, was wir an Schreibfähigkeiten haben, vergessen müssen, um an die uns eigene Sprache, ihre Dringlichkeit und Genauigkeit heranzukommen.

Schreiben also können wir, aber können wir auch so tun, als schrieben wir? Was brauchen wir dafür, was sorgt für den guten Wind unter unseren Schreibschwingen?

Ratlosigkeit ist eine geeignete Form des Innehaltens und Zögerns, um der ganzen grossen Beweislosigkeit von Literatur zu begegnen, ungewiss, wofür sie gut sein soll. Kein Text kann beweisen, was er sagt, noch, dass es sich lohnt, es zu sagen.
Wem das klar sein kann, dem hilft der Himmel. Denn Literatur führt uns auf das gefährliche Terrain dessen, was nicht ratlos, sondern womöglich schön ist. So dass wir, wenn wir glauben, nicht weiter zu kommen, froh sein sollten, immerhin schon ratlos zu sein.

Ich möchte in diesem Seminar mit Ihnen zusammen auf die Suche nach dem Ungesicherten der Wörter gehen und ein paar Übungen zur Ratlosigkeit versuchen. Dabei sollen Texte von Virginia Woolf, David Foster Wallace, Alexander Kluge und Gilles Deleuze gelesen und weitergeführt werden. Vielleicht schaffen wir es ja, uns durch die Manege bis ins Freie auf das Zirkusdach hochzuarbeiten.

Für wen wir schreiben

Die Vorbereitung des Romans und der rasende Wille nach einem vollständigen, absoluten Ausdruck unserer selbst. Für wen wir schreiben. Sechste Runde.

Sind Sie erfahren? Alte Jimmy Hendrix Frage. Sind Sie bereit, in den Abgrund zu springen? Sich dem rasenden Willen nach der Suche des vollständigen, unbedingten Ausdrucks unserer selbst auszusetzen? Sich auf die Suche nach den unbekannten Gegenden unseres Herzens zu machen, in die erst der Schmerz eintreten muss, damit es sie gibt, wie Virginia Woolf schreibt? Für wen wir schreiben weiterlesen

Lernen, was nicht zu lernen ist: das Handwerk des Schreibens.

 

Godard hat der Jury US-amerikanischer Filmkritiker, die seinen letzten Film „Adieu au Language“ zum besten Spielfilm des Jahres 2014 gewählt hat, eine Postkarte geschickt. Auf der stand: Ich lerne noch immer. Der Mann ist 84 und wenn einer in diesem Alter für sich noch beansprucht zu lernen, so ist das mehr als subversiv. Heisst es doch, dass die Arbeit weiter geht, dass es kein Ankommen und dann weiss ich, wie es geht, gibt. Darum aber genau geht es, dafür hat Godard immer gestanden. Lernen, was nicht zu lernen ist: das Handwerk des Schreibens. weiterlesen

Die schöne Gefahr.

Für wen wir schreiben. Dritte Runde

‚Le beau danger’ ist der Titel eines kleinen Buchs, in dem Michel Foucault mit Claude Bonnefoy über die schöne Gefahr seines Schreibens und Denkens spricht. Auf Deutsch trägt das Buch den Titel ‚Das giftige Herz der Dinge.’ Dieser Wechsel von der schönen Gefahr zum giftigen Herz der Dinge gibt vielleicht schon eine Antwort auf die Frage, warum es uns nicht leicht fällt, Gefahr und Arbeit an der Schönheit zusammen zu denken. Doch was ist Gefahr, was Schönheit, wenn es ums Schreiben und Denken geht? Kann Schreiben gefährlich sein? Und Denken? Für wen? Sich in Gefahr begeben, ist das eine Möglichkeit, etwas zu erschaffen, das mit Schönheit zu tun hat?  Was an der Gefahr soll schön sein oder schön werden können? Die schöne Gefahr. weiterlesen