Alle Beiträge von friederike

Nicht vergessen, dass wir leben müssen

Erschienen im Cinema-Jahrbuch 2019 als „Noch ein bisschen bleiben“

Wir treten ein, der schmale Flur ins Dunkle, durch den Spiegel. Bald steigen sie aus der Dunkelheit auf, sie sitzen in einem Auto, ihre Worte fliegen im Rhythmus der Strassenlampen über sie hinweg. Sie fahren gen Süden und haben den Norden verloren. Sie suchen die Liebe. Die dreht die Zeit um, wie der Tod. Sie sind in einem Film. Ein Film ist ein Kampfplatz. Liebe, Hass, Gewalt, Tod. Ja. Gefühle. Sie fahren in der Nacht. Sie schauen uns an. Während sie fahren, kommen wir ihnen entgegen. Sie sprechen. Wir sehen sie sprechen, Wörter steigen aus ihren Kehlen auf wie aus der Unterwelt, kommen aus ihrem Mund und wandern über ihre Köpfe zurück in die Entfernung, die sie hinter sich lassen. 

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Womit Romane anfangen und wie wir uns dahin aufmachen können

Sommerakademie Schrobenhausen 2019

„Ich glaube, alle Romane beginnen mit einer alten Frau in der Ecke gegenüber.“ Das schreibt Virginia Woolf und sie meint es ernst. Denn diese alte Frau ist nichts anderes als das Leben. Es könnte also so leicht sein, einen Roman mit dem Leben anfangen zu lassen. Wäre da nur nicht unsere Ignoranz, Blindheit, unser ganzes vermeintliches Wissen, was wichtig wäre und was nicht. Es ist ein Irrtum, zu glauben, das Besondere sei im Besonderen zu finden, also beispielsweise in New York, und nicht eben um die Ecke in Schrobenhausen. 

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Du musst den Mond erst aufhängen, bevor du ihn anheulen kannst

Sommerakademie Schrobenhausen 2018 / Schreiben und Schreiben wollen.

Wollen wir schreiben oder wollen wir schreiben wollen? Dazwischen liegt ein entscheidender Unterschied. Schreiben wollen fällt mit dem Schreiben in eins, ist aber etwas anderes. Und es ist dieses andere, das unser Schreiben mit all den zusammengewünschten, erträumten, zweiten, dritten und vierten Leben, die uns die Literatur über die Jahrhunderte hinweg zu lesen und weiterzuschreiben gibt, verbindet. 

Ich möchte in diesem Seminar nach dem Wünschen und Wollen des Schreibens fragen, um schreibend, sprechend, das, was über das jeweils konkrete Schreiben notwendig hinausgeht beim Schreiben, genauer anzuschauen. 

UNENDLICHER SPASS

Literaturinstitut Biel / Ausschreibung HS19 / Für wen wir schreiben, zehnte Runde. 

David Foster Wallace UNENDLICHER SPASS ist ein beunruhigendes, unheimliches Stück Literatur. Ein Gegenwartsroman, der uns das Fürchten lehren kann. Geschrieben von einem, der die Angst kennt. Denn Wallace ist bei den Gescheiterten in die Lehre gegangen und er lehrt uns, dass wir von ihnen lernen können – vielleicht nur von ihnen. Von ihnen und dann wieder von uns, die wir mit ihren Lehren auch nur scheitern können. 

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Warum das Glück der Artisten ein ratloses ist und wie wir es lernen können

Für wen wir schreiben. Achte Runde / Literaturinstitut Biel Ausschreibung HS 18

Seit Alexander Kluges Film „Die Artisten in der Zirkuskuppel; ratlos“ sind Artisten ratlos und zwar, weil sie Artisten sind. Es heisst im Film, dass sie als Artisten nur so tun, als könnten sie fliegen. Während sie im wirklichen Leben natürlich fliegen können.

In diesem Widerspruch zweier Vermögen hält sich die ganze schöne widersprüchliche Spannung von Leben und Kunst auf, die wir nicht reduzieren können, nur immer wieder durchqueren und vermehren.

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Vom Poetischen als einem Einsammelverhältnis

LI Biel FS 19 / Seminar auf Wunsch von ein paar Artisten, die zusammen mit mir im letzten Semester an der Ratlosigkeit gearbeitet haben.

Im nächsten Herbstsemester plane ich ein Seminar zu David Foster Wallace Roman „Unendlicher Spass“. Als Vorbereitung darauf würde ich gerne ein paar Umwege zu diesem Spass und seiner Unendlichkeit versuchen. Dabei stelle ich mir vor, einige Abstecher nach Amerika und zu Walser zu machen. Denn vor allem möchte ich mit Ihnen zusammen überlegen, ob Literatur nicht ein Heim für all das Obdachlose, Übriggebliebene, all das, was nicht aufgeht in den uns angetragenen Formen glücklichen, intensiven Lebens, sein könnte. 

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ZUVERSICHT / Einladung

EIN ABEND ZUR 12. AUSGABE DER ZEITSCHRIFT IDIOME. HEFTE FÜR NEUE PROSA

Lesungen von

Mariusz Lata (Essen), Friederike Kretzen (Basel) und Birgit Schwaner (Wien)

Moderation: Florian Neuner

In ihrem „Zuversicht“ überschriebenen Text spricht Friederike Kretzen in der 12. Ausgabe der Idiome vom „Wunsch, das Sprache uns enthält, dass sich in der Dichtung dieser Wunsch so ausspricht, dass er lesbar werden kann, offen auf ein Verstehen und Lesen, das noch kommt“. Nach einer solchen Offenheit, für die der Essay als Form prädestiniert scheint, streben auch die „Hefte für Neue Prosa“. So denkt Hermann J. Hendrich in seinem Beitrag über die für die Zeitkünste grundlegende Kategorie Rhythmus nach. Birgit Schwaner und Mariusz Lata wiederum warten mit stark kontrastierenden Prosastücken auf – mit einer hochartifiziellen, resonanzreichen Verarbeitung von Krankheitserfahrungen die eine, mit einem an dem Tabu, mit dem die Darstellung menschlicher Ausscheidungsvorgänge belegt ist, rührenden Text, der bereits in Heft 11 erschienen ist, der andere.